Noch nie in der tschechischen Geschichte hat die Bildung einer Prager Stadtregierung so lange gedauert. Die Stadt hat drei Monate nach den Wahlen noch keine Regierung. Obwohl es in der Stadt Tendenzen gab, nach Vorbild der landesweiten Regierung eine Mehrparteienregierung aus SPOLU (Zusammen), Piratenpartei und STAN (Bürgermeister und Unabhängige) zu bilden, scheiterten die Verhandlungsgespräche zwischen SPOLU und der Piratenpartei. Trotz der Aussicht, dass die Piratenpartei in der elfköpfigen Stadtregierung vier Posten bekleiden könnte, lehnte sie alle Kompromisse mit dem Bündnis SPOLU ab. Ihr Einwand war, dass die angebotenen Ämter keinerlei relevanten Einfluss auf die Stadtpolitik hätten. Die persönlichen Animositäten des Ex-Bürgermeisters Zdeněk Hřib (Piratenpartei) und des SPOLU-Kandidaten Bohuslav Svoboda sind ein offenes Geheimnis. So überrascht es nicht, dass Svoboda nach drei Monaten Verhandlungen bekanntgab, dass seine Geduld mit den Pirat*innen vorbei sei und er nunmehr eine Minderheitsregierung anstrebe. Für diese brauche er jedoch die Unterstützung aller Parteien mit Ausnahme der rechtsextremistischen SPD (Freiheit und direkte Demokratie). Die meisten Gemeinsamkeiten habe SPOLU aktuell mit der oppositionellen Partei ANO (Ja), an die er sich jetzt wenden wolle. Dem Klubobmann der ANO Patrik Nacher zufolge sei es jetzt am dringendsten, endlich eine neue Stadtregierung zu bilden, danach könnten weitere Verhandlungen folgen. Die ANO würde eine Minderheitsregierung jedoch nur bis Februar 2023 unterstützen, so Nacher. Ob SPOLU und ANO eine Übereinkunft erzielen, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Wie es mit der Zustimmung der STAN aussieht, ist derzeit noch offen.